Weitere Initiativen der Hamburg Kreativ Gesellschaft
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Weitere Initiativen der Hamburg Kreativ Gesellschaft

Sensing the world anew

Was gutes Design ausmacht und wie die Welt für Menschen begreifbarer wird. Ein Gastbeitrag von Lukas Cottrell, Managing Partner der Peter Schmidt Group und Mitglied im Beirat vom Design Zentrum Hamburg.

 

Kennen Sie das Comico Art Museum in Yufuin, Kyushu – Japan? Es ist eines der beeindruckendsten Architekturwerke unserer Zeit. Und der Inbegriff exzellenten Designs. Denn es fasst all das zusammen, was auch für uns als Designerinnen und Designer von immenser Bedeutung ist und auch in Zukunft sein wird.

Das von Kengo Kuma erbaute Comico Art Museum ist so simpel wie genial. Erbaut aus natürlichen Materialien, fügt es sich perfekt in die Naturkulisse ein. Geflammte Holzfassaden, polierte Feinsteinfliesen und großflächige Glasfronten spiegeln elegant und stolz die Visualität der Landschaft. Die ausladenden Anbauten und Dachvorsprünge, ihre klaren Linien und minimalistische Farbgebung, das großzügige Lichtkonzept prägen die Architektur innen und außen.

 

Die Umgebung ist auch wesentlicher Teil des Erlebniskonzepts: Denn Besucher:innen betreten jede Ausstellungsfläche von außen – es gibt keinen Gang, der die Räume innen verbindet. Man wird immer wieder in die Natur zurückgeführt. Eine perfekte Geschichte, in der der Standort, die Materialien und die Funktion des Bauwerks eine Verbindung eingehen. Die geistig auch noch ungemein entschleunigend wirkt!

Eine Vision – sichtbar in jedem noch so kleinsten Detail

Was hat das aber mit unserer Arbeit als Designer:innen zu tun? Zum einen macht das Comico Art Museum klar, wie wichtig eine künstlerische Vision, eine zentrale Idee ist, um ein Konzept holistisch durchdenken zu können. Um Markenerlebnisse zu erschaffen, die sich ganz natürlich in die Umgebung und den Kontext der Menschen einfügen. Um Geschichten zu erzählen, die lange nachwirken – und dadurch im ganzheitlichen Sinn nachhaltig sind.

Zum anderen macht die künstlerische Vision uns Designer:innen einfach unersetzlich. Und das nicht mal als Selbstlob gedacht. Eher als Wegweiser: Denn das Mitfiebern beim Rennen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz ist leidenschaftlicher denn je. Designer:innen müssen ihre Rolle immer klarer formulieren können. Im Handwerk liegt sie nicht. Sie liegt in der Idee. In der Vision – mit der sie etwas erreichen möchten. Und das ist auch unser Anspruch an Projekte für unsere Kunden: Die Arbeiten für Mercedes-Benz, die Deutsche Bahn und das ghanaische Start-up Washking machen das anschaulich.

 

Um Luxus mit jedem Pixel zu vermitteln

Beginnen wir mit Mercedes-Benz: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch und digital vernetzt. Mercedes-Benz positioniert sich hier mit einer neuen Luxusstrategie – und diese muss überall erlebbar sein: im Brand Design und in digitalen Anwendungen, in Voice Interfaces und Markenräumen. Was aber tun, wenn die Rahmenbedingungen immer restriktiver werden? UX-Standards gleichen sich an. Barrierefreiheit stellt uns vor Herausforderungen. Immer mehr Medien und Anwendungen erfordern maximale Flexibilität. Oft greifen Marken zu reduzierten Lösungen – aber für einen Luxusanbieter wäre das der falsche Weg. Unsere Herangehensweise: Nicht weniger Design ist die Lösung, sondern mehr! Wir wollen das technisch Mögliche ausreizen und die starke Idee in jedem Brand Code sichtbar machen. So wie mit dem transluzenten Stern für Mercedes-EQ: CGI Eye Candy statt Flat Look!

Um Menschen miteinander zu verbinden

Jeder kennt die Deutsche Bahn. Und jeder hat eine Meinung zu ihr – zugegeben: nicht immer eine gute. Unsere Aufgabe: Die Deutsche Bahn moderner und zugänglicher machen. Aber ihre etablierten Brand Codes bewahren. Denn Logo, Schrift und der rote Streifen auf weißem Grund haben sich über Jahrzehnte etabliert. Wir haben das Corporate Design radikal vereinfacht. Und es zugleich um ein neues Element ergänzt, dessen volle Stärke in der digitalen Interaktion liegt: den Puls. Er leitet sich aus dem Logo ab, passt perfekt zum Look des Produkts. Er kann mit Kund:innen in den emotionalen Dialog treten – oder Bahnfahrende in der Eile leiten. Der Puls gibt der Deutschen Bahn also neue Möglichkeiten der Kommunikation. Er wird zum vertrauten Partner. Und vermittelt so die Werte, für die die Deutsche Bahn in Zukunft stehen möchte.

Um Würde zurückzugeben

Ein ganz anderes Projekt ist unsere Arbeit für das ghanaische Start-up Washking. Hier geht es um Toiletten: Was für uns in Deutschland wie eine banale Selbstverständlichkeit klingt, ist in den ärmsten Regionen Afrikas ein ernstes Problem. In Ghana besitzen fast alle ein Smartphone. Eine Toilette hingegen nur wenige. Jeder Gang aufs Klo wird ein Gang hinters Haus. Das ist unwürdig und gerade für Frauen auch gefährlich. Washking bietet hier eine Lösung: erschwingliche Komposttoiletten mit einem smarten Payment-System, das die Investition erleichtert.

Wir haben für das Start-up einen Auftritt entwickelt, der das Unternehmen bekannter macht, Mitarbeiter empowert und lokale Communities stärkt. Und dadurch einen Beitrag leistet, Menschen mehr Würde zu geben. Das Design passt sich den Erfordernissen Afrikas an: Es lässt sich mühelos und schnell mit Schwamm und Schablone applizieren, auf Flyer drucken und auf T-Shirts sticken. So gibt es heute 1530 stolze Toiletten-Besitzer:innen in ganz Ghana – und 17 neu geschaffene Arbeitsplätze.

Um unsere Gesellschaft positiv zu gestalten

Am Anfang steht die Idee: eine Vision, die eine vorher noch nie dagewesene Welt kreiert. Die Künstlerin oder der Künstler in uns befasst sich dann mit einer Facette davon, einem klitzekleinen Detail. Die Designerin oder Designer hat jedoch die Aufgabe, diese Vision ganzheitlich anzuwenden und mit der Realität der Marke und der Menschen im hier und jetzt zu verquicken. Einen Rahmen zu schaffen, indem ein Dialog stattfinden kann – emphatisch, authentisch und vertraut. Dann hat die künstlerische Vision die Kraft, unsere Gesellschaft positiv zu gestalten.

Zum Auftakt des Formats Design Thirstday im Design Zentrum Hamburg hat Lukas Cottrell, Managing Partner der Peter Schmidt Group, einen Einblick darauf gegeben, wie konkrete Markenarbeit bei der Marken- und Designagentur aussieht und was für Designer:innen heute und morgen unerlässlich ist.

Lukas Cottrell ist seit 2015 Managing Partner bei der Peter Schmidt Group. Als Designdenker und Markenstratege entwickelt er seit über 20 Jahren ganzheitliche, sinnstiftende und inspirierende Kommunikationslösungen für international führende Marken: zum Beispiel Deutsche Bahn, Mercedes-Benz, Nivea, Hilti, Henkel und die DZ BANK.

 

Fotos: Comico Art Museum: Kengo Kuma and Associates, Ikuma Satoshi, Mitsumasa Fujitsuka; Mercedes-Benz, Deutsche Bahn, Washking: Peter Schmidt Group; Design Thirstday: Jan-Marius Komorek

 

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